Robert, ein Teilnehmer eines Anti-Ärger-Seminars kam nur wegen diesem Satz auf meinem damaligen Werbeprospekt zu mir. Chefs sind auch nur Idioten, sein Chef hat das Seminar auch noch bezahlt. Er sagte mir: „Er ärgert sich seit zehn Jahren täglich über seinen Chef.“ Seine Frau hat ihn auch animiert, zu mir ins Seminar zu kommen, da sie befürchtet, dass ihr Mann ansonsten irgendwann einen Herzinfarkt bekommt, wenn er sich weiter so sehr ärgert.
Ich frage ihn: „Warum ärgern Sie sich denn so über Ihren Chef?“ Er sagt: „Ja, weil er ein Idiot ist. Der kann nicht mit Mitarbeitern umgehen. Der hält sich nicht an seine eigenen Vorgaben und er ist einfach inkompetent.“ Darauf ich: „Schwierig, schwierig. Das sind nur allgemeine Aussagen. Da kann ich wenig tun, um ihren Ärger zu beseitigen. Nennen Sie mir bitte ein konkretes Beispiel, wo Sie sich über Ihren Chef so richtig geärgert haben.“
Er sagt: „Ja, zum Beispiel. Wir waren auf der Messe. Chef sagt zu seinen vier Mitarbeitern ´Nach der Messe, 18 Uhr, gehen wir gemeinsam hier raus, gehen in die Kneipe gegenüber und trinken noch Einen gemeinsam auf den erfolgreichen Messetag.´
Okay, so weit, so gut. 17 Uhr kommt ein guter Kunde vom Chef. Sie fangen an zu plaudern, Chef macht eine Flasche Wein am Messestand auf. Seine vier Mitarbeiter stehen am Nebentisch und schauen herüber. Es wird 18 Uhr. Chef macht Witzchen mit seinem Kunden. Chef plant mit ihm die Aufträge fürs nächste Jahr, sie verhandeln, sie lachen, sie erzählen privates. Die Mitarbeiter gegenüber werden immer frustrierter. Es wird halb sieben, um sieben. Langsam werden sie ungeduldig und wütend. Chef erzählt weiter über die Einschulung seines Enkels. Der andere Kunde erzählt über die Hochzeit seiner Tochter und sie lachen und erzählen weiter bis 21.30 Uhr. Die Mitarbeiter stehen sich seit Stunden am Nebentisch die Füße in den Bauch, werden immer wütender über ihren Chef. „Der ist ja nun wirklich ein Idiot! Erst sagt er wir gehen 18 Uhr rüber, einen trinken und jetzt lässt er uns hier stehen und warten.“ Robert redete sich sichtlich wieder in Rage: „Ist das nicht eine Frechheit? Als mir meine Kollegen das erzählten, war wieder klar wie ignorant und inkompetent unser Chef ist. Gefühlslos, blind. So kann man sich doch nicht als Chef verhalten, oder? Da kann man nur wütend werden.“
Ich fragte ihn: „Moment mal, Sie waren gar nicht dabei?“ „Nein, aber meine Kollegen haben mir das erzählt.“ erwiderte er.
Ich sage: „Was, Sie ärgern sich noch stellvertretend für Ihre Kollegen mit? Na, das ist ja total toll. Warum ärgern sie das, wenn sie nicht mal dabei waren?“
Schauen wir uns die Situation doch mal konkreter an. „Ihre Kollegen stehen am Nebentisch und ärgern sich. Es ist einfach jemand anderen die Schuld für den eigenen Ärger zu geben. Allerdings machen wir uns damit zum Opfer des Verhaltens des anderen, was sich auch nicht so gut anfühlt. Könnte es sein das ihre Kollegen einfach nur feige waren einmal nachzufragen? Keiner von den vier Kollegen hatte den Mumm, zum Chef zu gehen und zu fragen: „Hej Chef, können wir schon mal rüber in die Kneipe gehen? Sie kommen doch dann sicher nach.“ Glauben Sie, der Chef hätte gesagt: „Nein.“ Vor seinem Kunden?
Chefs dürfen Idioten sein, die Zeit vergessen und mit Kunden den nächsten Deal einfädeln. Und Mitarbeiter dürfen fragen, ob sie schon mal gehen können. Am Nebentisch stundenlag warten um immer ärgerlicher werden, ist vielleicht nicht die schlauste Alternative.
Ich fragte ihn ob er abschätzen könne, wie viele Stunden er sich über seinen Chef geärgert hat in den letzten zehn Jahren. Er meinte, eigentlich den ganzen Tag von früh bis abends. Im übrigen hatte auch seine Frau etwas davon, den jeden Abend beim Essen berichtete er über die ärgerlichen Taten seines Chefs und durchlebte den Ärger nochmals. Wenn wir nur von durchschnittlich 4 Stunden pro Tag ausgehen, indem er durch ärgerlichen Gedanken über seinen Chef besetzt war, ergibt dies immerhin in 10 Jahren ca. 8.000 Stunden Ärger über seinen Chef.
8.000 Stunden Lebenszeit vergeudet, mit Ärger kann man nicht gut arbeiten, nicht freundlich Kunden betreuen und abends auch nicht das Glas Wein mit der Partnerin genießen.
Wenn sie es gar nicht aushalten mit ihrem Chef, könnten sie kündigen und hoffen das der nächste Chef eher ihren Ansprüchen genügt. Kann klappen oder auch nicht.
Es ist Ihre Entscheidung!
Es ist Ihr Leben!
Spaß dabei.
Ihre Ramona Wonneberger
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